Dynamik im Rebensaft
Wenn Winzer Hartmut Heintz zeigen will, wie gut es seinem Weinberg geht, dann zieht er mit dem Spaten in die Reben. Die stehen satte 2,80 Meter voneinander entfernt. Einen Meter weiter als sonst um Langenlonsheim an der Nahe. So kommt Licht und Luft an die Stöcke, die Trauben werden prall und entwickeln eine hohe Resistenz gegen Schimmel.
Das ist auf dem Weingut im Zwölberich besonders wichtig, denn er baut nach den strengen Demeter-Richtlinien an. Was das bringt, sehen wir, wenn der Endvierziger sich auf den Spaten stemmt. Das Blatt schiebt sich durch ein Dickicht aus Klee, Malven, Löwenzahn und Taubenkropf dem Lös entgegen, bis es schmatzend in die Krume fährt. Käfer und Schmetterlinge fliegen auf. Mit breitem Kreuz wuchtet Hartmut Heintz zwei Kilo feuchten „Guldentaler Rosenteich“ ans Licht: „Sehn Sie mal, wie das lebt“, sagt der Winzer und zeigt auf das Gewimmel der Untermieter.
In seinen 21 Hektar beherbergt Heintz viele Tiere. „Die Rehe gehen immer zuerst an die Würzer-Triebe.“ Der Tonfall macht deutlich, dass er nicht alle Besucher schätzt. Aber als Demeter- Winzer hat er einen Sinn für die Natur. Gelernt hat er das schon vom Vater, der in den 50er Jahren auf naturnahen Ausbau umstellte. Zuerst pflanzte er aus Not die Reben weiter Normalerweise probieren nur die Winzer ihren Traubensaft und wissen dann, wie der Wein wird.
Mit diesem Paket können Sie das nachvollziehen Text: Thomas Neubacher-Riens • fotos: Heino Banderob (1), PR (2) auseinander als die Nachbarn, räumt Hartmut Heintz ein: „Damit Vaters Traktor durch die Gassen passte.“ Aber er merkte rasch, wie gut sein Wein gedieh und ließ sich noch einiges einfallen, was den anderen suspekt war. „Als Vater Stroh zwischen die Reben legte, kam es zum Rebfrevel“, erinnert sich der Sohn. Nachts brannte die Streu. Lang ist’s her.
Solche Attacken sind Geschichte, als der Junior den Betrieb 1990 in der 13. Generation ganz auf Bio ausrichtet. Seinen Weg findet er wie der Vater: pragmatisch, beobachtend, anpackend. Auf den Demeter- Anbau, erinnert sich Heintz, sei er durch schrumpelige Möhren im Bioladen gekommen. Als Ehefrau Marion schwanger war, achteten die Eltern in spe mehr auf die eigene Ernährung. Der nächste Schritt war klar:
Wer gesund essen will, muss gesund anbauen. Er erklärt mit schlichten Worten, wie er damals mit wissenschaftlicher Präzision die Anbaumethoden des Anthroposophen Steiner testete und einer kränkelnden Rebe auch schon mal Baldrianaufguss oder Kamillentee verordnete. Über die Jahre verändert Hartmut Heintz nicht nur seinen Anbau, sondern Zum Bestellen Riesling, Kabinett, trocken: Duft nach Stachelbeere und Zitrus, fruchtig, mineralisch mit feiner Säure. Passt zum Asia- Flammekuchen oder zu Räucherfisch. Spätburgunder, trocken: Ein samtiger Rotwein mit angenehmem Mandel- und Kirschduft. Er passt zu (fast) allem. Kerner, Spätlese, lieblich: Aromatisch, saftig, fruchtig mit feiner Süße. Der Wein zur Porreetarte, zum kräftigen Käse und natürlich zu Desserts. Die Säfte sind sehr aromatisch. Als Essensbegleiter sollten sie verdünnt werden. Das 6er-Paket exklusiv für »e&t«-Leser kostet 54 Euro frei Haus und enthält je 1 Flasche Wein und 1 Flasche Saft von jeder Rebsorte.
Demeter-Weingut im Zwölberich Schützenstr. 14, 55450 Langenlonsheim Tel. 0 67 04/92 00, www.zwoelberich.de auch seine Idee von der Traube. Geht es nach ihm und seinem Kellermeister Helmut Wolf, dann füllen sie ein ganzes Jahr, sein Klima, den Boden und das individuelle Wachstum der Reben in die Flaschen: „Der Weinstock nimmt seine Umgebung in sich auf und konzentriert sie in seinen Trauben.“ Den kritischen Zwischentönen professioneller Sommeliers, die Qualitäten seien schwankend, halten Heintz und Wolf mit geradem Rücken entgegen, dass Bioweine nah am Puls der Natur angebaut und jährlich schwankende Qualitäten daher erwartbar seien. Ein Aspekt ist sicher auch die Experimentierfreude und Innovationskraft der beiden. Der knorrige Wolf stapft in Bergschuhen die Stahltanks für die Weißweine entlang und auf vierzig 300-Liter- Spessart-Eiche-Fässer zu: „Mein Hobbykeller!“ Es gibt eine klare Arbeitsteilung im Zwölberich. Winzer Heintz knobelt unter einem widerspenstigen Krausschopf die Philosophie und umtriebige Marketingstrategie aus. Im Keller erkostet Wolf das Geschmacksdesign.
Einfache Wege scheinen beide zu meiden. Beispiel: Sie retten die alte Rebsorte Auxerrois aus der Gruppe der Burgunder. Der sonst sehr kontrollierte Heintz ärgert sich noch heute, wenn er erzählt, wie Weinbürokraten der Rebe an der Nahe wie überall in Deutschland den Garaus machen wollten. Er hielt zäh an der Hugenotten-Rarität fest. Wolf baute sie aus. Voilà! 2005 räumt der „Guldentaler Rosenteich“ Auxerrois, Auslese, trocken, national und international Medaillen ab. „Heute gilt die Rebe als besonders schützenswert“, freut sich Retter Heintz. Gerettet haben er und seine Kunden auch den „Rosenwingert“. Eine 1,5 Hektar kleine, schon aufgegebene und seit 2003 wieder bepflanzte Rebanlage inmitten eines Laubgehölzes.
Das umwaldete Refugium ist Heintz’ Ideal eines Weinbergs. Eingebettet in die Natur. Das Gegenteil der üblichen Rebenmonokultur. Hier residiert der Fuchs. Und viele Zwölberich Kunden, darunter Exverbraucherministerin Renate Künast. Denn sie haben mitinvestiert, indem sie Rebstöcke gekauft und so die Renaturierung möglich gemacht haben. Die Hobbywinzer freuen sich an der Mitarbeit und an der flüssigen Dividende. Das jüngste Großprojekt nennt Hartmut Heintz selbstbewusst „unvergorener Wein“. Dahinter steht eine sehr persönliche Idee: „… der Rebe die Freiheit vom Alkohol zu geben.“ Wer würde, fragt der Weinbauer, noch Reben pflegen, wenn es nicht um Alkohol ginge? Aus der Idee wird in Wolfs Kellerlabor der sehr geschmackvolle Versuch, den frischen Traubensaft sortenrein und noch am Lesetag zu verarbeiten, um ein Qualitätsprodukt zu erzielen, das mit Saft im Tetrapak wenig gemein hat.
Wie beim Demeter-Test baut Heintz in der Probierstube mit dem traumhaften Nahetalblick ein Experiment auf. Drei Gütesäfte: Riesling, Kerner, Spätburgunder leuchten hell und rubinfarben im Glas. Dahinter die Weine, die von den Trauben der gleichen Lagen vergoren wurden. Eine verblüffende Degustation beginnt. Die drei Direktsäfte entfalten Dank der aufmerksamen und aufwendigen Behandlung in Weinberg und Keller eigenständige Aromen, die sonst allenfalls nur ein Winzer am Tag der Lese kosten kann, wenn der Saft aus der Presse strömt. Allenfalls. Denn Heintz und Wolf „detschen“ eher die Schale, als dass sie Trauben pressen. So vermeiden sie Bitterstoffe im Direktsaft. Die entfalten mal süß, mal feinherb eine Aromenvielfalt, wie sie nur Weine hohen Standards bieten. Der Vergleichstest mit dem vergorenen Produkt macht doppelt Spaß. Wir schmecken, was der Wein auf dem Weg durch die Gärung an vielschichtigen Fruchtaromen behält – und an süßer Unschuld verliert.